Bald 10 Jahre unrechtmäßige Haft: Lasst die Gdeim Izik Gruppe frei!

Western Sahara Resource Watch fordert die sofortige und bedingungslose Freilassung der Gruppe saharauischer Aktivisten, die 2010 wegen ihrer Proteste für sozio-ökonomische Rechte des saharauischen Volkes inhaftiert wurden.

08. September 2020

Im November 2020 wird die Gruppe saharauischer politischer Gefangener, die auch als Gdeim IzikGruppe bezeichnet wird, bereits 10 Jahre in marokkanischen Gefängnissen verbracht haben. In Erwartung dieses tragischen Jahrestages ruft WSRW zur sofortigen und bedingungslosen Freilassung dieser politischen Gefangenen auf.

Am frühen Morgen des 8. Novembers 2010 – eine Woche vor Beginn des Arabischen Frühlings –räumten die marokkanische Armee und Polizei brutal ein friedliches Protest-Camp, in dem über 10’000 Saharauis gegen ihre sozio-ökonomische Ausgrenzung in ihrem von Marokko besetzten Heimatland protestierten. Das Camp befand sich an einem Ort namens Gdeim Izik, eine Wüstengegend außerhalb der Hauptstadt El Aaiún.

Als das Camp niedergebrannt wurde, entfachten sich Kämpfe zwischen der Polizei und den frustrierten Saharauis. Sowohl Polizeikräfte als auch saharauische Zivilisten starben während dieses Zusammenstoßes. Eine Gruppe von 25 Männern wurde aufgrund ihrer angeblichen Beteiligung an der Organisation des Protest-Camps inhaftiert. Nach zweieinhalb Jahren willkürlicher Inhaftierung wurden sie im Februar 2013 von einem marokkanischen Militärgericht verurteilt, die meisten von ihnen zu Freiheitsstrafen zwischen 20 Jahren und lebenslänglich.

Unter den Inhaftierten waren führende Menschenrechtsaktivisten aus der Westsahara. Einer von ihnen ist der Generalsekretär einer saharauischen Gruppe, welche die internationale Beteiligung an Marokkos illegaler Ausbeutung der natürlichen Ressourcen des Territoriums überwacht.

Die wesentlichen gegen sie verwendeten Beweismittel bestanden aus Geständnissen, die unter Folter abgelegt wurden. Die Gruppe legte gegen das Urteil vor dem marokkanischen Kassationsgericht Berufung ein, da das Militärgericht die Aktivistengruppe nicht lediglich auf Basis dieser Geständnisse verurteilen könne. Vier Jahre später, im Jahr 2017, wurde der Fall schließlich vor einem Zivilgericht neu verhandelt. Allerdings wurden auch hier die unter Folter erlangten Geständnisse erneut als Hauptbeweismittel herangezogen und die Mehrzahl der Haftstrafen beibehalten. Daher wurde erneut gegen das Urteil Berufung eingelegt; die Entscheidung des Kassationsgerichts liegt noch nicht vor.

Bis heute befinden sich 19 der 25 in Haft. Ihr Verfahren war ein Hohn auf der Gerechtigkeit. Die einzigen Beweismittel gegen die Aktivisten waren unter Folter abgelegte Geständnisse. Hier finden sie einen Bericht über den Kafkaesken Prozess gegen die Gruppe, der die Beweismittel undArgumentation des Gerichts analysiert.

“Der Verstoß gegen das Völkerrecht hinsichtlich des Rechts auf einen fairen Prozess nach der Universellen Erklärung der Menschenrechte sowie weiterer völkerrechtlicher Pflichten Marokkos bedeutet, dass der Freiheitsentzug der 19 Gefangenen willkürlich ist. Die 19 Inhaftierten wurden Opfer von Entführungen oder Verhaftungen, die Folter oder grausame, inhumane oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung einschloss. Ihre rechtswidrige Behandlung wurde auch während der Inhaftierung fortgesetzt. Die Gruppe befindet sich seit sieben Jahren in Haft. Ihre Verurteilung basierte nicht auf ausreichenden strafrechtlichen Beweisen.“, erklärte der ehemalige Vorsitzende der UN Arbeitsgruppe gegen willkürliche Inhaftierung, Mads Andenaes, imVorwort des oben zitierten Berichts.

“Diese Männer haben nichts anderes getan als sich friedlich für ihre grundlegenden Menschenrechte einzusetzen. Aufgrund von Gerichtsprozessen, die den grundlegendsten internationalen Standards nicht gerecht wurden, haben sie bereits 10 Jahre ihres Lebens in Haft verbracht. Wir rufen die internationale Gemeinschaft dazu auf, Druck auf Marokko auszuüben für ihre sofortige und bedingungslose Freilassung.“, sagt Sylvia Valentin, Vorstandsvorsitzende von Western Sahara Resource Watch.

Die willkürliche Inhaftierung der Gefangenen von Gdeim Izik wurde unter anderem in einer Mitteilung der Sonderverfahren der Vereinten Nationen vom 20. Juli 2017 (AL Mrz 3/2017) behandelt, die von der Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen gegen willkürliche Inhaftierung, dem Sonderberichterstatter zur Meinungsfreiheit, dem Sonderberichterstatter zur Lage von Menschenrechtsverteidiger, dem Sonderberichterstatter für die Unabhängigkeit von Richtern und Staatsanwälten und dem Sonderberichterstatter über Folter unterzeichnet wurde. Der Text betont, dass die Gruppe der saharauischen Menschenrechtsaktivisten als Reaktion auf ihre Meinungs- und Versammlungsfreiheit im  Gdeim Izik Camp verhaftet und inhaftiert worden war.

Hier finden Sie eine Übersicht über die inhaftierten Gdeim Izik Mitglieder auf Englisch.

Nachrichten

Lebenslange Haftstrafen für politische Gefangene bestätigt

Das marokkanische Kassationsgericht bestätigte am 25. November 2020 die harten Urteile gegen die so genannten Gdeim Izik-Gefangenen. Die Gruppe beteiligte sich am Protest gegen die sozioökonomische Marginalisierung in der Westsahara im Jahr 2010.

26. November 2020

Schlag gegen das Komitee zur Erhaltung natürlicher Ressourcen

Sidahmed Lemjiyed, der Vorsitzende des Saharauischen Komitees zur Verteidigung natürlicher Ressourcen (Comité Saharaui de Protección de los Recursos Naturales – CSPRON) wurde am 25. Dezember in El Aaiún zusammen mit der Menschenrechtsaktivistin Izzana Amidan festgenommen, nachdem der Generalstaatsanwalt im November 2010 entsprechende Haftbefehle erlassen hatte. Und Izzana Amidan wurde danach vorläufig auf freien Fuß gesetzt, doch Sidahmed Lemjiyed wurde dem Militärgericht überstellt.
29. Dezember 2010

Landesrätin fordert ein Einlenken der österreichischen Bundesregierung

Karin Scheele, Landesrätin der Regionalregierung von Niederösterreich, fordert die österreichische Bundesregierung auf, die Menschenrechte über die Handelsinteressen mit Marokko zu stellen. \"Die EU wird ihren eigenen Prinzipien nicht gerecht\", meint Frau Scheele.
24. November 2010

Ruiz Miguel in einem Interview über den Tod eines saharauischen Jungen

Die derzeitigen massiven Proteste von Saharauis haben jetzt ein erstes Todesopfer gefordert: einen 14jährigen saharauischen Jungen. Vor etwa zwei Wochen begannen einige Saharauis erste Haimas – typische Nomadenzelte – in der Wüste zu errichten: Sie verlangten, am Gewinn aus der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen ihrer Heimat beteiligt zu werden, der bisher ausschließlich in die Taschen der Besatzungsmacht Marokko fließt. Carlos Ruiz Miguel, WSRW-Mitglied, kommentierte das Geschehen im Programm Radio 5 von Radio Nacional de España.
09. November 2010